Rebecca Wilton
„MODERNGOTHIC“
15.11. 2013 – 10.01.2014
Galerie Jochen Hempel, Berlin
„MODERNGOTHIC“
15.11. 2013 – 10.01.2014
Galerie Jochen Hempel, Berlin
Die Galerie Jochen Hempel freut sich, die dritte Einzelausstellung von Rebecca Wilton in Ihren Berliner Räumen ankündigen zu dürfen. Ein zentrales Motiv in der Arbeit von Rebecca Wilton ist das Herausarbeiten von historischen Überlagerungen in städtischer wie in ländlicher Umgebung, die sich in Gebäuden, öffentlichen Plätzen oder in der Natur niederschlagen. Ihr Arbeitsprozess gleicht dabei einer archäologischen Untersuchung, in der sie die kulturellen Einschreibungen eines Ortes aufspürt und mit fotografischen Mitteln sichtbar macht. In einer sorgfältig gewählten Bildsprache legt sie die Zeitschichten frei, die ein jeder Ort erkennen lässt. In der Serie »Wiesen« tritt Wiltons archäologischer Zugriff besonders deutlich zu Tage. Die Motive zeigen jeweils einen Grasplatz, unbebaut und mit seinem ruderalen Erscheinungsbild von zivilisatorischen Eingriffen scheinbar unberührt. Die Bildunterschrift auf den Passepartouts jedoch macht das jeweilige Motiv als den ehemaligen Standort eines Schlosses kenntlich, das in seiner baulichen Manifestation verschwunden ist: Es gibt es nicht mehr. Das Wissen um dieses Dagewesensein erzeugt im Betrachter die Vorstellung, man könne einzelne Spuren des Vergangenen im Gras erkennen. Hier wird ein weiterer Aspekt von Rebecca Wiltons Arbeit deutlich: die Differenz zwischen dem Gesehenen und Gewussten sowie deren Überlagerung im fotografischen Bild. Wo überschneiden sich Darstellung und Dargestelltes, wo driften sie voneinander weg? Wiltons forschendes Interesse richtet sich auf das spannungsreiche Gefüge von Wissen und Erfahrung, von Zeigen und Sehen, das im fotografischen Bild entsteht. Damit zielt sie auf den Kern fotografischer Repräsentation: Formen der Sichtbarmachung werden bezweifelt, Festschreibungen von Bedeutung unterhöhlt. Wiltons neue Werkserie „moderngothic“ beschäftigt sich mit früher Hochhausarchitektur. Ausgangspunkt ist das Entrée des Deutschlandhauses in Berlin, in dem sich die ursprüngliche Architektur mit den Zeichen späterer Nutzungen zu einem Netz an historischen Referenzen verbindet. Der Baukörper aus den 1920er Jahren wird überlagert von Spuren der Renovierung aus den 1960er Jahren. Die langjährige Nutzung des Hauses durch den Bund der Vertriebenen etwa schlägt sich in einem Wandbild nieder, das die Stadt Breslau in einem ebenfalls vergangenen Zustand zeigt. Aus den hier vorgefundenen Spuren entwickelt Wilton eine Assoziationskette, die sie zu weiteren Beispielen frühmoderner Hochhausarchitektur führt. Sie taucht in die konservierte Vergangenheit des Wandbildes ein und porträtiert das auf dem Bild dargestellte und noch heute in Wrocław am Rathausplatz existierende Sparkassengebäude. Wie in einem Reigen führen sie die Details dieser Architektur zu weiteren frühen Hochhäusern in Düsseldorf, Hamburg oder Köln. Die sorgfältig inszenierten Gebäudeansichten werden kontrastiert mit vergleichenden Detailaufnahmen und Nebenschauplätzen. Mit den Mitteln der Wiederholung sowie durch feinsinnig gelenkte Verschiebungen in den Detailansichten thematisiert Wilton die Fotografie als eine Technik des Sehens und Zeigens, anhand derer sich die unauflösbaren Konfliktlinien des Fotografischen stetig ablesen lassen: Der Status der Bilder bleibt veränderbar.
A central motif in Rebecca Wilton’s work is the exploration of historical superimpositions in both urban and rural environments seen in buildings, public spaces or in nature. Her work process resembles archaeological examinations in which she traces the cultural inscriptions of a location, making them visible by photographic means. In a carefully chosen pictorial language, she uncovers the layers of time that every site reveals. Wilton’s archaeological approach is particularly apparent in her series “Wiesen” (Meadows). Each of the motifs shows an undeveloped grassy area, its ruderal appearance seemingly untouched by the intrusion of civilisation. The image caption on the passepartouts, however, reveals that the respective motif goes back to the former site of a castle which has disappeared structurally: it does no longer exist. The spectator’s knowledge of what was once manifest creates the impression that individual traces of the past might indeed be discovered in the grass. This explains another aspect of Rebecca Wilton’s work: the difference between that which has taken place and that which is known, and their superimposition in the photographic image. Where do representation and that which is represented overlap? Where do they drift apart? Wilton’s probing interest focuses on the tension-filled nexus of knowledge and experience, of showing and seeing, which takes place in the photographic field. In this way, she attains the core of photographic representation: forms of making visible are doubted, and semantic determinations undermined. In “moderngothic”, her new series of works, Wilton explores the architecture of early high-rise buildings. Her departure point is the lobby of the Deutschlandhaus in Berlin, in which the original architecture merges with signs of later usage to create a web of historical references. The building structure from the 1920s bears superimposed traces of renovations from the 1960s. Extensive use of the building was made by the Federation of Expellees (Bund der Vertriebenen) which can be seen, for instance, in the mural depicting the city of Wroclaw in a comparable past condition. Out of these traces, Wilton develops a chain of associations which she links to further examples of early modern high-rise architecture. Delving into the preserved past of the mural, she portrays what is shown in the picture – the former Sparkasse building that still exists in the town hall square in Wroclaw today. In a circular fashion, details of this architecture lead to further early high-rise buildings in Düsseldorf, Hamburg or Cologne. Wilton’s carefully positioned views of buildings are contrasted with comparative shots of details and side scenes. Through repetition and subtle shifts or displacements in her close-ups, Wilton thematises photography as a technology of seeing and showing on the basis of which the indissoluble fault lines of photography can constantly be read: the status of the images remains modifiable.