Sven Kroner
„Paraskeva“
14.11. – 20.12.2014
Galerie Jochen Hempel, Berlin
„Paraskeva“
14.11. – 20.12.2014
Galerie Jochen Hempel, Berlin
Paraskeva
Text: Sandra Rendgen
In seinen panoramatischen Ansichten verbindet der Düsseldorfer Maler Sven Kroner (*1973) klassische Landschaften mit gewöhnlichen Alltagsszenen und Relikten des Industriezeitalters. Indem er romantische Verklärung und Banalität des Alltags ineinanderblendet, gibt sich Kroner einer fesselnden Möglichkeit der Malerei hin: der Konstruktion eines Motivs, das vollkommen alltäglich und gleichzeitig unmöglich erscheint.
Eine Serie von Landschaften präsentiert unendliche Weiten, deren Horizonte in der Ferne nur zu erahnen sind. Die ausgefeilte Staffelung von Bildelementen wird weiter dramatisiert durch wechselvolle Lichtstimmungen. In der Erforschung dieser Tiefe bleibt der Blick immer wieder an einem stillen geheimnisvollen Hauptmotiv hängen: einem tief am Himmel hängenden Zeppelin, ein Schiff, das auf dem Trockenen gestrandet ist oder ein anderes, das gar in der Luft zu hängen scheint.
Obwohl realistisch gezeichnet, bewirken die nutzlosen Kolosse eine tiefe Verunsicherung: Wie kommen die Schiffe in eine trockene Landschaft? Kann ein Zeppelin so tatsächlich fliegen? Ist die Überflutung einer Landschaft der Hinweis auf eine vorausgegangene Katastrophe? Die zunächst vertraut wirkenden Ansichten wandeln sich in einen potenziell unheimlichen Ort, der die Ahnung eines Desasters genauso in sich trägt wie die Andeutung eines Scherzes. In einem Wechselspiel von Tiefenwirkung und unergründlichem Hauptmotiv aktualisiert Kroner einen klassischen Topos der Landschaftsmalerei: dem flachen Bildgrund eine Tiefe einzuschreiben, die den Blick in einem unendlichen Loop in die Ferne wandern und zurückschweifen lässt. Eine zweite Gruppe von Arbeiten formuliert die Thematik des Ausblicks und der Blickführung neu, indem sich Kroner der Metapher des Fensters bedient – ein klassisches Motiv der malerischen Selbstreflexion. Der Blick wird gerahmt und in einen konkreten räumlichen Zusammenhang gestellt. Der erhöhte Blick auf die weite Landschaft wird zurückgeführt auf seinen ganz praktischen Ursprung: das Schauen des Malers aus dem Fenster heraus.
Obwohl sich vor dem Atelierfenster die bereits bekannten Landschaften andeuten, wird jedoch das eigentliche Schauen, der Ausblick hier nun versperrt – die Lichtstimmung ist nicht genau erkennbar, die Scheiben sind nahezu blind. Was vor dem Fenster liegt, kann nur erahnt werden, keine Ferne lässt sich erkunden. Umso stärker wird der Blick auf die kleinen Details rund um das Fenster herum gelenkt: Miniaturmodelle von Häusern und Schiffen auf dem Fensterbrett, das einfallende Sonnenlicht, eine Heiligenikone an der Wand – die der Ausstellung ihren Namen gebende Paraskeva, die über die Heilung von Blinden auch mit dem Sehen verbunden ist.
Beim zweiten Hinsehen werden die Modelle erkennbar als Vorlagen für konkrete Motive der panoramatischen Landschaften – ein Haus hier, ein Schiff dort. Die narrativen Elemente, die bereits an sich geheimnisvoll und nicht auflösbar wirken, werden nun vollends als konstruiertes Motiv, als Fiktion des Malers erkennbar gemacht. Der realistisch-figürliche Eindruck der Landschaften, aber auch der Fensterbilder löst sich mehr und mehr auf in schwebende Konstruktionen, in der alle Bildelemente in einem wohlkalkulierten Gleichgewicht verharren. Das Sichtbarmachen der Konstruiertheit steht in einem dramatischen Gegensatz zur spontanen Malweise in Acryl, die Kroners stilistisches Erkennungsmerkmal ist. Schnell aufgetragen und teils gestisch-abstrakt geprägt, wirken Kroners Kompositionen wie schnell zusammengefügt. Dass den endgültigen Gemälden eine langwierige Kompositionsarbeit vorausgeht, wird nun in den Fensterbildern zum ersten Mal ausdrücklich thematisiert.
In his panoramatic views, the Düsseldorf painter Sven Kroner (born in 1973) combines classic landscapes with typical scenes of everyday life and relicts of the industrial age. By blending Romantic transfiguration with everyday banality, Kroner explores an intriguing possibility of painting: the construction of a motif that appears both commonplace and impossible. A series of landscapes show endless expanses with horizons that can only be vaguely discerned in the distance. The nuanced distinction of pictorial elements is further dramatized through changing moods in light. By exploring this depth, the spectator’s view constantly comes to rest upon a still and enigmatic central motif: a Zeppelin that hangs low in the sky, a ship stranded on land or another that even seems to be hanging in the air.
Although portrayed realistically, these useless colossi create a profound uncertainty: how did the ships reach dry land? Can a Zeppelin really fly like that? Does a flooded landscape indicate a previous catastrophe? The scenes that initially seem so familiar turn into potentially ominous places that bear the premonition of disaster as much as the suggestion of a joke. Kroner reinterprets a classic topos of landscape painting through his interplay of the effect of depth and the mysterious main motif – namely, inscribing depth into the flat pictorial ground, which allows the gaze to wander into the distance and sweep back again in an endless loop.
In a second group of works, Kroner casts the thematic cluster of the view and the line of sight in a new light by using the metaphor of the window, a classic motif of pictorial self-reflection. The view is framed and placed into a concrete spatial context. The raised view onto the vast landscape is led back to its humble origin: the painter looking out the window. Although the familiar landscapes can be vaguely detected in front of the artist’s studio window, the actual act of looking – the view – is now obstructed; the mood in light is unclear, and the windowpanes are almost dull. What lies in front of the window can barely be discerned, and nothing can be made out in the distance. Yet the gaze is guided all the more to small details around the window: miniature models of houses and boats on the window ledge, sunlight pouring in, an icon of a saint on the wall – Paraskeva, who gives the exhibition its name and who is revered for healing blind people, connecting her to the notion of seeing.
Upon second glance, however, the models can be recognised as templates for concrete motifs of Kroner’s panoramatic landscapes – be it a house here or a ship there. The narrative elements, which already appear mysterious and undecipherable per se, are now wholly exposed as a fiction of the painter. The realistic and figurative impression of the landscapes and window pictures gradually dissolve into indecisive artistic constructions, in which all pictorial elements remain in a precisely calculated equilibrium.
Such exposing of the artwork’s constructedness stands in dramatic opposition to the spontaneous painting technique using acrylics – Kroner’s stylistic signature. Applied quickly and partly gestural or abstract, Kroner’s works seem as if they have been rapidly composed. That his paintings are the painstaking result of a long and intensive process of artistic composition is now explicitly addressed in the window pictures for the very first time.