Johanna Kandl
„Resistenta“
22.02. – 21.03.2020
Galerie Jochen Hempel, Leipzig
„Resistenta“
22.02. – 21.03.2020
Galerie Jochen Hempel, Leipzig
CV
1972-80 Studium an der Akademie der bildenden Künste
1979/80 Studium in Belgrad
seit 1997 Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann Helmut Kandl an gemeinsamen Projekten
2000 Mitglied der IG Bildende Kunst, Wien und der Vereinigung Bildender KünstlerInnen der Wiener Secession
2002 Würdigungspreis für Bildende Kunst des Landes Niederösterreich
2005-2013 Professur für Malerei an der Universität für angewandte Kunst in Wien
Bilder erzählen Geschichten. Sie tun dies über Form und Inhalt, aber auch über ihre Materialität. Die verwendeten Mal- und Farbmittel, ihre Herkunft und die Art ihrer Gewinnung vermitteln parallel zum Bildsujet oft spannende Inhalte. Die österreichische Künstlerin Johanna Kandl widmet sich dieser Inhaltsebene, indem sie ihre eigenen Werke mit in der Malerei verwendeten Grundstoffen in Beziehung setzt. […]
Kandl recherchiert diesbezüglich seit einigen Jahren und reist zu den jeweiligen Herkunftsorten der verwendeten Mal- und Farbmittel, zum Beispiel auf die Insel Hormus, in den Sudan, nach Sumatra oder auch in die Slowakei.
Johanna Kandl bringt in die Ausstellung nicht nur ihren distanziert-wissenschaftlichen Blick ein, sondern auch die emotional-persönliche Verbundenheit, die sich von ihrer Herkunft aus einer Familie von Farberzeugern und -händlern und ihrer Ausbildung zur Restauratorin herleitet.
Gemeinsam mit ihrem Mann Helmut Kandl geht sie den Geschichten hinter diesen Stoffen nach und wirft dabei auch akute gesellschaftliche Fragen auf. –Miroslav Halak–
„Meine Eltern hatten in der Brünner Straße im 21. Wiener Gemeindebezirk eine Farbenhandlung. Mein Vater hat sogar selbst Farbe erzeugt – mit dem Namen „Resistenta„. Die Marke hat sich nicht lange gehalten. Das Geschäft auch nicht.
Vieles in unserem Geschäft war noch nicht verpackt; Reisstärke, Leim, Kalk, Kreide und Pigmente wurden offen verkauft. Der Perlleim klebte an den Fingern, wenn man ihn anfasste, und er hatte einen ganz speziellen Geruch. Im Hof gab es eine Kalkgrube und ein Fass mit gelöschtem Kalk. Er war wunderschön weiß wie Schlagobers, und auf der Oberfläche des Kalkwassers bildete sich ein dünner Film, wie Eis. Ein Material, schön anzugreifen – aber Vorsicht! Es war ätzend, und die Finger bekamen Runzeln.
Vor der Malerei habe ich Restaurierung studiert, die Farbstoffe, die Pigmente und ihre Geschichte haben mich immer interessiert, und ich habe nach alten Rezepten Farbe hergestellt. Beeindruckend war, mit wie wenigen Grundstoffen bis ins 18. Jahrhundert hinein gearbeitet wurde und welche Chemikalien zur Verfügung standen: Wein, Bier, Urin, Eier, Eiweiß, gefaultes Eiweiß – und aus diesen wenigen, einfachen Grundstoffen entstanden wunderbare Werke; auch heute braucht man für eine richtig gute Vergoldung – die ein sehr komplizierter und aufwändiger Prozess ist – gefaultes Eiweiß und die Haare vom Eichkätzchenschwanz (da kann man endlich einmal Oachkatzelschwoaf sagen).
Als Professorin für Malerei habe ich erfahren, dass über Malmaterialien und ihre Geschichte nicht so gelehrt wird, dass ein Kosmos von Informationen über Handelsbeziehungen, „Eroberungen“ und Erfindungen evoziert wird – so wie bei mir selbst jedes Material sofort seine eigene Sprache spricht.
Ich rücke die Malmaterialien in den Mittelpunkt, weil das Wissen über sie verschwindet. Sie tragen viele Erzählungen in sich – politische, ökonomische, historische. Die Tätigkeiten und die Lebensumstände der Menschen, die in den Minen oder auf den Feldern und im Wald arbeiten, bilden einen blinden Fleck im kulturellen Feld der Sichtbarkeit – und dieser blinde Fleck interessiert mich.
Denke ich an die Herkunft der Farben, Pigmente und Bindemittel, die in einem Gemälde zusammenfinden, entsteht im Kopf eine Weltkarte.“ –Johanna Kandl–
Die Videoinstallation Mine entstand in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Arne Hector.
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Images tell stories. They do so not only via form and content but also through their pure, innate materiality. Painting tools and the medium of colour, their origins, and the way they are obtained often convey compelling stories in parallel to the picture’s subject matter. Austrian artist Johanna Kandl focuses on this content layer by juxtaposing the basic materials used in painting with her own works.[…]
Kandl has been researching this topic for several years, travelling to the places of origin of the substances in question, such as to the island of Hormus, the Sudan, Sumatra, and Slovakia.. The artist brings to the exhibition her detached scientific view, but also imbues it with her emotionally underpinned personal connection to the subject, rooted in her family background of paint producers and dealers, as well as her training as a conservator. Together with her husband, Helmut Kandl, she explores the stories behind the bodily nature of art, while also uncovering urgent social questions.
–Miroslav Halak–
„My parents had a paint store in Brünner Strasse in the 21st district of Vienna. My father even produced his own brand of paint – known as „Resistenta“. But the brand did not last long. Neither did the business.
Many items in our store were not prepacked: rice starch, glue, lime, chalk, and pigments were sold in bulk. The pearl glue stuck to your fingers when you touched it and it had a very distinct smell. In the yard were a lime pit and a barrel containing slaked lime. It was a wonderful material to touch – but careful! It was corrosive and wrinkled the skin on your fingers.
Before studying painting, I studied restoration. I’ve always been fascinated by colors, pigments, and their history, and I made paints using old recipes. It was impressive just how few basics substances were used even as late as the eighteenth century and what chemicals were available at the time: wine, beer, urine, eggs, egg white, rotten egg white – and wonderful works were produced from this handful of simple basics ingredients. Even today for really good gilding – which is a highly complicated and complex process – you need rotten egg white and hair from a squirrel’s tail („Oachkatzlschwoaf,“ the Austrian word for squirrel’s tail).
As a professor of painting I discovered that the manner of teaching about painting materials and their history does not evoke a world of information about trade relations, „conquests“ and inventions – although to my mind every material immediately speaks its own language.
I place the focus squarely on the painting materials, because knowledge about them is disappearing. They contain so many stories – political, economic, and historical. The activities and personal circumstances of the people who work in the mines, in the fields or in the forest form a blank spot in the cultural field of visibility, and this blank spot interests me.
When I think about the origin of the colors, pigments, and binding agents that are all found in a painting, a world map takes shape in my mind.“ –Johanna Kandl–
The Video Installation Mine is a cooperation with the filmmaker Arne Hector.