Benjamin Bergmann
„links oben unten rechts“
13.09. – 25.10.2014
Galerie Jochen Hempel, Leipzig
„links oben unten rechts“
13.09. – 25.10.2014
Galerie Jochen Hempel, Leipzig
links oben unten rechts
Unser tägliches Streben ist gekennzeichnet durch den Wunsch nach Orientierung und dem Verlangen nach Sinnstiftung. Das Fragen nach dem Warum? dem Wie? und Wo? hält uns stetig an, uns in Gemeinschaften zu binden, Allianzen zu schließen und uns zu verstärken.
In der Ausstellung „links oben unten rechts“, anlässlich des diesjährigen Rundgangs auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei, lädt Benjamin Bergmann (*1968) zu einer emotionalen „Achterbahnfahrt“ und entführt den Betrachter in einen „Jahrmarkt“ der Gefühle, Hoffnungen und Sehnsüchte. Insbesondere das religiöse Heilsversprechen sowie das gesellschaftliche und „gemeinschaftliche“ Spektakel bilden die Eckpfeiler der in der Ausstellung präsentierten Werke. In Form einer emotionalen und physisch erfahrbaren Gegenüberstellung begegnen uns Bergmanns Arbeiten als Fragestellungen, aber auch als eine Art Infragestellen eines versprochenen „Heils“ und Gesundungsprozesses auf dem Weg einer immer wiederkehrenden Orientierungslosigkeit.
Im Zentrum der Ausstellung steht ein über fünf Meter hohes Objekt mit dem Titel „links oben unten rechts“. Einem Tor- oder Triumphbogen gleich verweist es auf eine typische Attraktion der Jahrmärkte, bei der Kraft und Stärke gemessen werden können: Hau den Lukas. Entgegen der üblicherweise vertikal ausgerichteten Messlatte findet das Kräftemessen hier nicht in gewohnter Weise statt. Gelingt der perfekte Schlag, so landet das Projektil in hohem Bogen auf der gegenüberliegenden Seite, von wo aus zum „Gegenschlag“ ausgeholt werden kann. Das Bild von Vergeblichkeit wird hier im übertragenen Sinn gedoppelt und der Ausstellungsraum weitet sich zur virtuellen Kampfzone.
„Unruhige Ecke“: Eine in Aluminium gegossene, in sich verdrehte Zierschnur trennt den Betrachter von einem kleinen Segment des Galerieraums und schickt ihn – oder aber den abgeteilten Bereich? – in die Verbannung.
„Leistungsverzeichnis“, die grafisch anmutende Abbildung eines überdimensionalen Zifferblatts, verspricht uns hingegen die Einordnung der eigenen Leistungsfähigkeit. Die Skala reicht vom Muttersöhnchen bis hin zum Supermann. Doch fehlt hier der sprichwörtliche Zeiger und die nötige Hilfestellung bleibt verweigert.
In „Klassenfoto“ begegnen uns nahezu leibhaftig 31 Christus- und Marienportraits, gemeinschaftlich vereint und komponiert zum Gruppenbild. Die illustre Schar „überirdischer Helden“ erscheint als eine verschworene Gemeinschaft, frei und losgelöst von einer zeitlichen und nationalen Zuordnung.
In „links oben unten rechts“ lässt uns Benjamin Bergmann in unserem Inneren, unserer Vergangenheit und Geschichte, sowie den Bildern und Dingen aus dem alltäglichen Leben suchen. Die Werke und Objekte scheinen in ihrer offenkundigen Funktionalität ein Versprechen bereit zu halten, das sie final aber nicht einzulösen bereit sind. „Ring My Bell“, zwei mit einem Seil zum „Doppelschlag“ verbundene Glocken können nicht klingen. Das auf die Glocken gravierte „Ding“ und „Dong“ lässt uns aber zumindest auf den Klang einer vertrauten Stimme hoffen.
top left bottom right
Our daily striving is marked by our need for direction and our quest for meaning. The question as to why, how and where things happen constantly drives humans to come together in communities and other alliances as a means of enhancing the power of the people.
On the occasion of this year’s Rundgang at the Leipzig Baumwollspinnerei, the exhibition “links oben unten rechts” (top left bottom right) by Benjamin Bergmann (born in 1968) takes the visitor on an emotional roller-coaster ride through a myriad of feelings, hopes and desires. The works in the exhibition revolve around the notion of the promise of salvation through religion, as well as the social event and community spectacle. By juxtaposing emotional and physical experience, Bergmann’s works confront us with critical questions whilst also challenging the promises of salvation and prospective recovery on a journey determined by constantly recurring disorientation.
The object entitled “links oben unten rechts”, which is over five metres tall, marks the centre of the exhibition. Resembling a gate or triumphal arch, it recalls the popular fairground attraction where one is invited to test one’s strength – the “High Striker”. However, instead of on a vertical tower, here the player’s strength is not tested in the usual manner. If the lever is struck with the right amount of force, the puck shoots up and over to the other side where the other player then “counter-strikes”. The image of futility is thus metaphorically duplicated as the exhibition space turns into a virtual combat zone.
“Unruhige Ecke” (Disquiet Corner) comprises a tangled cast-aluminium lanyard which sections off a small zone of the gallery, thus ostensibly banishing either the spectator or the segregated area – or indeed both.
The graphic image of a large dial in “Leistungsverzeichnis” (Performance Index) enables the viewer to assess their personal performance with benchmarks ranging from “mummy’s boy” to “superman”. Yet the dial is without hands and the necessary instructions for its use are also missing.
In “Klassenfoto” (Class Photograph), the spectator is confronted with 31 depictions of Christ and the Virgin Mary. Almost incarnate in appearance, the individual portraits are both communally and compositionally united in the group portrait. This illustrious crowd of supernatural heroes resembles a sworn community free of any attributes relating to time or nationality.
Benjamin Bergmann’s exhibition “links oben unten rechts” compels us to seek answers in our inner selves, our past lives and in history, as well as in everyday images and objects. In their blatant functionality, the works and the objects incorporated appear to hold ready promises, which they are, however, ultimately not prepared to keep. In “Ring My Bell”, for instance, the two bells – connected by a rope in order to produce a “turn” – cannot be made to ring. Yet engraved on the bells, the captions “ding” and “dong” do at least offer some hope that we may hear the sound of a familiar voice.
Translated from the German by Oliver Kossack